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Nominierung der Sendeanlage Europe1 für die Klassik-Nike 2022

5. April 2022

Der BDA Saar nominiert die Sendeanlage Europe1 / Le centre émetteur de radio-télévision Europe no 1 für den BDA-Architekturpreis „Klassik-Nike“ 2022

Alle drei Jahre lobt der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten BDA bundesweit den Architekturpreis „Nike“ für wegweisende Projekte aus, die die Baukultur in Deutschland nachhaltig prägen. Die Auszeichnung richtet sich gleichermaßen an die Architekturschaffenden und die Bauherrschaft. Er wurde 2022 zum sechsten Mal ausgelobt. Eine Jury aus nationalen und internationalen Juroren ermittelt aus den eingereichten Nominierungen aller BDA-Landesverbände eine „Große Nike“ und jeweils eine „Nike“ in insgesamt sechs Kategorien für Bauten der letzten zehn Jahre sowie eine „Klassik-Nike“ für ein Bauwerk, das nach 1945 errichtet wurde, sich in drei Jahrzehnten der Nutzung bewährt hat und noch immer als vorbildlich gelten kann.

Überreicht werden alle Nike-Auszeichnungen am 21. Mai 2022 im Rahmen des BDA-Tages in Nürnberg.

Marco Kany
Marco Kany
Der Innenraum der Sendehalle

Für die „Klassik-Nike“ 2022 hat der BDA Saar die Sendeanlage Europe1 / Le centre émetteur de radio-télévision Europe no 1 mit folgender Begründung (Text Axel Böcker) nominiert:

Die Sendehalle Europe 1 von 1954/55 in Berus bei Saarlouis zeigt die Verbindung modernster Radiotechnik mit avantgardistischer Architektur. Erhalt und sinnvolle Neunutzung stellen eine Herausforderung dar, die nicht nur bautechnische Fragestellungen berührt. Die sinnvolle Verknüpfung der drei Bedeutungsebenen des Senders – Rundfunkgeschichte, Konstruktionsgeschichte und Geschichte der Sendetechnik – sind dabei zentrales Ziel.

Ausgangspunkt für den Bau des Senders im Saarland war das Ziel, das Staatsrundfunksystem in Frankreich, nachdem private Rundfunksender verboten waren, zu umgehen. Dadurch entstanden in kleinen Ländern an Frankreichs Grenzen – so in Monaco, Andorra und Luxemburg – die sogenannten “radios périphérique”. Die Investoren von Radio Monte Carlo konnten aufgrund der topografischen Situation die Großregion Paris nicht erreichen. Das halbautonome Saarland – nicht zu Frankreich gehörig, aber politisch und wirtschaftlich nach Frankreich orientiert – lieferte den perfekten Alternativstandort.

Sendebeginn war der 1. Januar 1955. Geplant war ein Sendezentrum nicht nur für Radio, sondern auch für Fernsehen. Das Zentrum der Anlage bildete die große, herzförmige Sendehalle (82,5 x 43,5 Meter) mit der außergewöhnlichen Dachform, eine “architecture parlante” nur 700 Meter von der Grenze entfernt und Richtung Paris ausgerichtet.

Den Entwurf stammte von Architekten Jean-Francois Guédy (1908-95). Mit Bernard Laffaille (1900-55) wurde einer der renommiertesten französischen Bauingenieure für das Projekt gewonnen. Der Bau ist mit einer großen, dünnen Betonschale mit doppelter Wölbung bedacht, die mit vorgespannten Stahlkabeln gehalten wird. Dieses Betonhängedach mit nur wenigen Zentimetern Stärke wird über einen Ringanker gefasst und ermöglicht dadurch einen stützenfreien Raum. Vorbilder waren die bis dahin errichteten Hallen in Raleigh (USA, 1952) und in Karlsruhe (Deutschland, 1953).

Die Pläne für die ambitionierte Konstruktion der Halle wurden im April 1954 vorgelegt. Während des Spannvorgangs des Hallendachs kam es am 8./9.9.1954 zu irreparablen Rissen im Dach. Eugène Freyssinet (1879-1962) übernahm danach persönlich die Überarbeitung des Entwurfs.

2015 wurde die historische Sendehalle für das Radioprogramm stillgelegt und die Sendemasten kurz darauf hin abgebrochen. Die denkmalgeschützten Hochbauten wurden 2016 von der Gemeinde Überherrn übernommen. Für den Fernsehturm fand sich eine neue Funktion als DAB-Sender des Saarländischen Rundfunks. Gegenwärtig wird die Halle sporadisch für Veranstaltungen genutzt, jedoch wird von der Gemeinde nach einem dauerhaften und denkmalgerechten Nutzungskonzept gesucht.